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Trendscout

Facebook auf dem Standstreifen – ein persönlicher Pannenbericht

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Warum kehren die Jugendlichen dem blauen Netzwerk den Rücken zu? Eine Einschätzung einer 16-Jährigen Facebook Nutzerin, unserer Schülerpraktikantin Lisa.

Jüngst haben Zahlen der amerikanischen Beratungsfirma iStrategyLabs gezeigt, dass im Vergleich zu 2011 die Mitgliederzahlen der 13- bis 17- Jährigen bei Facebook um ca. 25 Prozent gesunken sind. Im Gegensatz dazu erfuhr das Netzwerk bei den 25 bis 54-Jährigen einen Zuwachs um 30 bis 40 Prozent, unter den über 55-Jährigen stieg die Mitgliederzahl sogar um 80 Prozent. Jetzt wird eine „Invasion der Alten“ prophezeit.

Doch was sind die Gründe für die ersten Falten auf dem doch sonst so jugendlichen Face(book)?

Flucht vor den Alten

In vielen Artikeln wird als Erklärung für die Verschiebung der Altersgruppenanteile eine Art Flucht vor den Senioren angeführt. Die jungen Nutzer würden also in Scharen das Netzwerk verlassen, weil Facebook aufgrund des Zuwachses der Erwachsenen„uncool“ geworden sei. Ich glaube, dass sich manche außerdem immer mehr durch Eltern u. ä. beobachtet fühlen, zumal diese durchaus beleidigt sind, wenn man ihre Freundschaftsanfrage nicht unmittelbar nach Übersendung bestätigt. Sofern man das Stadium erreicht hat, in welchem über die eigenen Posts nachgedacht wird, überlegt man sich dreimal, ob man wirklich der gesamten Familie das Bild der letzten Party unter die Nase reibt oder lieber doch nicht.

„Let it be“

Eine weitere Ursache für das Abmelden vieler Jugendlicher ist meiner Meinung nach ein höheres Bewusstsein für die Tragweite ihrer Aktivitäten auf Facebook. Vor ca. 3 Jahren hat man leichtsinniger Inhalte verbreitet. Das liegt zum einen daran, dass die heute 16-Jährigen zu dem Zeitpunkt 13 Jahre alt waren. Zum anderen hat man nun nach längerer Nutzung ein Gefühl für das entwickelt, was man der Welt mitteilen sollte und was peinlich ist. So sorgen alte Facebook-Posts von 2011 à la „hat sich gerade eine Pizza bestellt“ regelmäßig für Lacher. Der Trend geht also Richtung Vorsicht, vielleicht ein verzweifelter Versuch nach langjährigem hemmungslosem Preisgebens sich wieder rar zu machen. Durch diese Furcht erfährt man mittels Facebook kaum noch wirkliche Neuigkeiten, auch wenn das Feld mit der Frage „Was machst du gerade?“ so sehr danach schreit. Inzwischen erscheint im Kopf der meisten lediglich die Gegenfrage: „Was geht dich das an?“.

Reform der Verwendungszwecke

Durch die lediglich dünn gesäten Posts verliert Facebook erheblich an Attraktivität. Für viele meiner Freunde ist ein Argument für das Verlassen von Facebook, dass sie schließlich eingesehen haben, dass das Netzwerk die Zeit regelrecht verschlingt. Des Weiteren dient es oft als beliebtes Medium zur Verbreitung von Gerüchten, denen sie aus dem Weg gehen wollen.

Auch das Bestätigen der vielen Freundschaftsanfragen wird inzwischen ernsthaft überdacht, Freundeslisten werden „ausgemistet“ oder man legt sich ein ganz neues Profil an, dessen vollständigen Inhalt nur die wirklich engen Freunde sehen können.

Die noch aktiven Nutzer in meiner Altersgruppe verwenden Facebook nun hauptsächlich, um sich über Veranstaltungen (in der Regel Partys) zu informieren. Außerdem rücken immer stärker Gruppen in den Vordergrund, in denen z. B. alle Schüler einer Stufe Mitglied sind. Dort werden wichtige Informationen zu Hausaufgaben, ausfallenden Stunden oder Informationsveranstaltungen geteilt. Zu guter Letzt lässt man sich durch die nur wenige Sekunden dauernden Videos wie „How normal people jump on bed vs. me“ berieseln.

Die Konkurrenz schläft nicht

Ein weiterer Faktor ist natürlich die wachsende Konkurrenz. Die Jugend wendet sich nicht unbedingt komplett von Facebook ab, sondern die Aktivitäten werden stärker gesplittet. Das bedeutet, während man früher z. B. Bilder aus dem letzten Urlaub auf Facebook gepostet hat, teilt man diese heutzutage auf Instagram mit dem Rest der Welt. Dort lädt man durchaus auch Fotos der letzten Party hoch, bei dem größten sozialen Netzwerk hält man sich damit eher zurück. Die Hemmschwelle ist hier größer geworden, zumal man den Überblick über seine exponentiell wachsende Freundesliste meist schon vor langer Zeit verloren hat.

Nachrichten tauscht man vorzugsweise auf Whatsapp aus, der Facebook Messenger wird als unpraktisch empfunden.

Auf Pinterest kann man Hobbys, Interessen, Shoppingtipps und vieles mehr mithilfe virtueller Pinnwände seinen Freunden zeigen. Es ist daher sehr vielseitig und z. B. zum Entdecken neuer Rezepte äußerst praktisch.

Snapchat bietet eine lediglich auf das Schicken von Bildern basierende Kommunikationsform an. Der Vorteil hierbei ist, dass die Bilder nach einer eigens festgelegten Sekundenanzahl gelöscht werden.

Das Problem ist, dass Facebook zwar alle unterschiedlichen Netzwerke in ihren Funktionen vereint, es jedoch in jedem Bereich inzwischen ansprechendere und ausgereiftere Alternativen gibt.

Dass immer mehr Jugendliche das blaue Buch der Gesichter in die hintersten Ecken des Regals der sozialen Netzwerke verbannen, hat also viele unterschiedliche Gründe und nicht nur die so oft beschriebene „Invasion der Alten“. Ich persönlich finde es für bestimmte Aktivitäten weiterhin praktisch. Trotzdem steht fest, dass sich Facebook wohl auf kurz oder lang überlegen muss, wen es ansprechen möchte: Die immer vorsichtiger werdenden Jugendlichen oder die Erwachsenen, die offensichtlich Blut geleckt haben.

Veröffentlicht: 31. Januar 2014 // antwerpes


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