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Trendscout

DIGA?! – Ist es di ga, di ga, di ga oder di ga?

Wer weiß noch, von welchem deutschen Hip-Hop-Song aus dem Jahr 1992 diese Headline abgeleitet ist? Jede Wette, damals dachte niemand daran, dass es irgendwann mal Apps geben würde. Geschweige denn Apps, die zur Begleitung oder Bewältigung von Krankheiten eingesetzt werden könnten. Das Internet gab’s noch nicht, Tablets gab‘ s noch nicht und Smartphones gab‘ s auch noch nicht. Es gab MS-DOS Prompts und die CD begann gerade, die Musikwelt zu erobern.
Apropos „Eroberung“: Wie sieht es im Jahr 2023 eigentlich mit den digitalen Gesundheitsanwendungen, den DIGAs, aus?
Konnten die bereits den Gesundheitsmarkt erobern?


Schon gehört?

Diesen Beitrag gibt´s auch als Blogcast.

Ich behaupte mal: Nein!
Was schade ist, denn für mich stehen DIGAs für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Unternehmen, die DIGAs entwickeln, stellen quasi eine neue Generation von Pharmaunternehmen dar – digital, agil und datengetrieben. Und das per Definition. Es gibt sogar eine neue Abkürzung für die digitalen Therapeutika, die Apps auf Rezept: DTx.
Aber können sich DTx neben Rx, den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, blicken lassen?

Während im April 2021 erst zwölf DIGAs zugelassen waren, gab es ein Jahr später bereits 33 Stück. Heute sind es schon 42. Auch wenn die Wachstumsraten rein rechnerisch gigantisch sind, reden wir immer noch von einem überschaubaren Bereich innerhalb des deutschen Gesundheitssystems.

In welchen Indikationsbereichen gibt es DIGAs?

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich auf diese Frage antworten:
„Wahrscheinlich im Bereich der chronischen Erkrankungen mit dem Zweck der Therapiebegleitung und zur Sicherstellung von Therapietreue.“

Das ist jedoch nicht so. Fast die Hälfte (45%) der aktuell zugelassenen DIGAs tummeln sich im Bereich der „Psyche & Verhaltensstörungen“. Das ist vielleicht auch nicht besonders verwunderlich, denn der virtuelle Raum eignet sich gut, um beispielsweise Angstzustände mittels Angst-Konfrontation zu behandeln.
Diese hohe DIGA-Dichte wirft die Frage auf, ob in diesem Bereich noch Platz oder Bedarf für weitere DTx vorhanden ist.

Die digitale Ubiquität der DTx und die bereits vorhandene Digitalisierung des Behandlungsprinzips, wirft die Frage auf, was Patienten außerdem überhaupt noch benötigen sollten?

Klar, genau wie bei Websites kann es bei Apps eine bessere Usability, eine überlegene User Experience oder ein schöneres Design geben. Aber all das lässt sich mit dem nächsten Update regeln.
Streng genommen ist vielleicht pro Indikation oder pro Erkrankung nur eine therapiebegleitende App notwendig. Es wird auf jeden Fall spannend zu sehen sein, wie sich dieser Bereich ausdifferenzieren wird. Volle Wirkung erzielen DTx vielleicht auch nur im Doppelpack mit Rx, also einem Medikament, dessen Wirkung oder Gabe durch die App unterstützt oder zumindest begünstigt wird – wie beispielsweise ein digitaler Guide, der durch den Alltag hilft.

Klassische Pharmaunternehmen könnten demnach gut beraten sein, ein solches Doppelpack zu konzipieren. Sie hätten die Aufgabe einen digitalen Counterpart für ihr Medikament zu finden, um so einen echten Mehrwert für den Patienten zu schaffen.

Die Grafik „DIGAs nach Indikationsgruppe“ zeigt auch, dass in bestimmten Bereichen eben noch kein DIGA-Durchbruch erzielt beziehungsweise „the next big thing“ noch nicht gefunden wurde. So existiert zum Beispiel im Bereich „Herz-Kreislauf“ noch gar keine DIGA.

Eine andere Sache, die mir bei der Betrachtung des DIGA-Marktes auffällt, ist die Kleinteiligkeit des Marktes. Lediglich drei Unternehmen entwickeln mehrere DIGAs in unterschiedlichen Kategorien (analog zu Pharmaunternehmen, die verschiedene Medikamente in unterschiedlichen Indikationsbereichen anbieten). Bemerkenswert, denn diese stellen bereits knapp 37% des derzeitigen DIGA-Marktes dar. Die restlichen 63% teilen sich sage und schreibe 24 Unternehmen auf.

Mal provokant gefragt: Fällt Ihnen ein Pharmaunternehmen ein, welches genau ein marktreifes Präparat im Portfolio hat?
Mir nicht! Jedoch bezweifle ich auch, dass sich ein solches Pharmaunternehmen lange am Markt halten würde. Bei DIGA-Unternehmen, die genau eine Anwendung in einem absolut kleinen Nischenmarkt anbieten, wage ich eine ähnliche Prognose. Es sei denn, der Anbieter findet den oben genannten Counterpart, um einen nutzenstiftenden Doppelpack zu schnüren.

 

Der DIGA-Markt wird zunehmend interessant werden, wenn

    1. Eine Abdeckung von mehr Therapiegebieten erfolgt und mehr chronisch Erkrankte bedient werden können.
    2. Wenn Begleit-DTx ergänzend zu bereits erfolgreichen Therapien angeboten werden und es mehr „Doppelpacks“ geben wird (siehe oben). Diese „Perfect Matches“ müssen aber erst einmal gefunden werden oder zueinander finden.
    3. Wenn Pharmaunternehmen selbst DIGAs entwickeln, die perfekt zu ihren Rx-Präparaten passen.

Übrigens: Wenn es mit den DTx-Zulassungen so weitergeht, wie in den letzten beiden Jahren, werden wir Anfang 2024 circa 103 zugelassene Anwendungen am Markt sehen.
Ich denke, auch dann wird noch Luft nach oben sein.

 

Autor


Thilo Kölzer ist CEO der antwerpes ag und berät Healthcare- und Pharmaunternehmen bei ihrer Digitalen Transformation. Seine langjährige Erfahrung in der digitalen Marketing- und Werbebranche macht ihn zu einem „Internet Explorer“ der ersten Stunde. Digitale Strategien, User Experience, Werbung und Suchmaschinenmarketing gehören ebenso zu seinem Kompetenzspektrum wie aktuelle Themen: Seamless Experience, Marketing Automation, Omnichannel, Virtual Reality, Augmented Reality, Web Apps, Bots und mehr. – Kontakt

 

Bildquelle: Midjourney

Veröffentlicht: 21. Februar 2023 // antwerpes


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